In der Prozeduralismusfalle

Die Fremden im modernen Verfahrensstaat

(gemeinsam mit S. Kalupner)

In: Leviathan: Zeitschrift für Sozialwissenschaft, Heft 3, 2000, S. 285-307.

Abstract

In den letzten Jahrzehnten kam es in deutschen Städten vermehrt zu gewalttätigen Übergriffen auf Asylbewerberheime und deren Bewohner. Der Artikel geht davon aus, dass dieses Phänomen durchaus auch mit der Politik der Verteilung von Asylbewerbern zusammenhängt, die von staatlichen Institutionen als einfacher Verwaltungsakt angesehen wird. Wir argumentieren, dass diese institutionelle Praxis nicht zwangsläufig ist, sondern auf einer bestimmten Vorstellung von demokratischen Verfahren beruht. Um dieses Argument zu untermauern, führen wir eine Diskussion über den Begriff des Verfahrens in den Theorien von Jürgen Habermas, Niklas Luhmann und Michael Walzer. Als Ergebnis schlagen wir vor, das Verwaltungsverfahren in ein Anreizsystem umzuwandeln. Dadurch wird die Unterbringung von Asylbewerbern zu einer Frage lokaler Debatten und kann das politische Bewusstsein und die zivile Autonomie in den Gemeinden und Bezirken stärken.

During the last decade there has been an increase in violent attacks on asylum-centers and their residents in German towns. The article assumes that this phenomenon is linked to the policy of distributing those applying for asylum, which is seen as a simple administrative act by governmental institutions. We argue that this institutional practice is not inevitable but grounded in a specific idea of democratic procedure. In order to support this argument we present a discussion over the concept of procedure in the theories of Jürgen Habermas, Niklas Luhmann and Michael Walzer. As a result we suggest to change the administrative procedure into a system of incentives. Hence the accommodation of asylum applicants becomes a public issue and can enhance political awareness and local autonomy in the communities and boroughs.

„20 Jahre später hat dieser Text nichts von seiner Aktualität eingebüßt.“

Die Thesen im Überblick:

  1. Das gegenwärtig praktizierte Verfahren der Verteilung von Asylbewerber/inne/n auf Stadtteile und Kommunen trägt obrigkeitsstaatliche Züge und verschärft dadurch das Problem der Gewalt gegen Fremde.
  2. Im Lichte verschiedener sozialphilosophischer Konzeptionen zeigen sich theoretische Hintergründe dieser staatlichen Zuweisungspraxis, aber auch kritischen Aspekte und Ansätze zu einer Reform.
  3. Der von Jürgen Habermas vertretene prozeduralistische Ansatz deckt sich weitgehend mit der faktisch praktizierten Verfahrensform. In seiner Unangemessenheit in Bezug auf die Problematik der Unterbringung von Asylbewerbern zeigt sich zugleich aber, welche Grenzen einer prozeduralistischen Logik – was die Vermittlung von Autorschaft und Akzeptanz auf dem Verfahrensweg anbelangt – in Wirklichkeit gesetzt sind.
  4. Niklas Luhmann analysiert scharf die systeminternen Zwänge, die zu einer Rationalisierung von Verfahren und zur Erzeugung eines „generalisierten Systemvertrauens“ führen; seine Annahme, dass ein „diffus verbreitetes, privates Ressentiment“ als unvermeidliches Produkt von Verfahren angesehen werden muß, wird dann zynisch, wenn dem Ressentiment durch das Verfahren zugleich Gelegenheit gegeben wird, sich an wehrlosen Menschen zu entladen.
  5. Michael Walzers liberal-kommunitaristische Sozialphilosophie tritt dafür ein, die Akteure, die im prozeduralistischen Verständnis hinter der Verfahrensform verschwinden, wieder an die Oberfläche zu bringen und an den Entscheidungen zu beteiligen. Nicht jenseits, sondern in der Aushandlung zwischen Gruppen unterschiedlicher kultureller Traditionen und Interessen liegt für ihn das Potential einer aktiven Zivilgesellschaft.
  6. Eine Alternative zum obrigkeitsstaatlichem Verfahren liegt in der Organisationsform eines Kommunenentscheids. In einem Leistungs-Anreiz-Modell wirkt der materielle Einsatz als Katalysator, um zum einen den fatalen Zusammenhang von staatlicher Zumutung und Gewalt gegen Fremde zu durchbrechen, zum anderen die politische Kommunikation und Meinungsbildung zu fördern.

Leseprobe

I. Was der Fall ist  

Wenn in Beziehungen zwischen Menschen etwas grundsätzlich schief läuft, dann gibt es stets mindestens zwei grundverschiedene Geschichten, die erzählen, was der Fall ist. So ist es auch hier. 

Kehren wir zunächst in das südbrandenburgische Dorf zurück und sehen wir, wie sich die Geschichte aus der Perspektive dieses Dorfes darstellt. Es muß betont werden, daß es nicht um dieses spezielle Dorf geht, daß dieses Dorf hier nur als Beispiel dient und daß sich solche Geschichten in den letzten Jahren vielerorts zutrugen. Die spezielle Geschichte der Aufnahme von Fremden in diesem Dorf geht auf das Jahr 1992 zurück. Damals wurden in der Gemeinde Spätaussiedler untergebracht. Glücklich war man nicht über diesen Zuzug, doch von Seiten der Behörden war betont worden, daß es sich bei Spätaussiedlern um Deutsche handele, daß der Fall also “nicht mit Asylbewerbern zu vergleichen” sei. Zeitweise lebten bis zu 130 dieser halbherzig geduldeten Fremden in dem Dorf von etwa 550 Einwohnern, doch in den letzten Jahren zogen mehr weg als nach und so sank die Zahl deutlich. 1998 wurde im Kreistag der Beschluß gefällt, die Hälfte von 300 Asylbewerbern, für die man eine neue Unterkunft benötigte, in den freigewordenen Räumen der Gemeinde unterzubringen. Die Einwohner reagierten aufgebracht. Sie protestierten im Kreistag, engagierten einen Anwalt und planten eine Demonstration. Doch der Beschluß wurde, leicht abgeschwächt, umgesetzt: 110 Asylbewerber zogen im Juli 1999 in das Dorf. Nun sei die Dorfgemeinschaft kaputt, meinte die Frau des Bürgermeisters.

Bevor wir den Fall aus einer zweiten Perspektive, in einer anderen Geschichte betrachten, lohnt es sich, einige Probleme auseinanderzuziehen, die sich in dieser Geschichte verknüpfen. Denn für viele, die diese von außen betrachten, dürfte die Geschichte als bloßer Skandal erscheinen; als Skandal, je nach Weltbild und Überzeugungen entweder, weil hier ausländerfeindliche Ressentiments und bornierter Egoismus unverblümt zum Vorschein kommen, oder, weil hier eine Belastung und ‚Überfremdung‘ in unerträglichem Ausmaß zugemutet werden. Die Polarisierung zwischen einem linken, ‚aufgeklärten‘ und einem rechten, ‚traditionalen‘ Weltbild verstellt aber den Blick auf die Verschiedenartigkeit der Aspekte, die in diesem Fall eine Rolle spielen.

So ist ein Aspekt des Problems die Frage, in welchem Maße und in welcher Weise das Leben in einem Dorf oder in einem Stadtteil sich verändert, wenn eine bedeutende Zahl von Menschen zuzieht. Daß sich die Altbewohner auf neue Kontakte, veränderte Möglichkeiten und Konflikte einstellen müssen, dürfte unabhängig davon, welche Lebensgewohnheiten die neuen Bewohner/innen mitbringen, evident sein. Ob diese Veränderungen akzeptabel erscheinen, mag zum einen damit zusammenhängen, welchen kulturellen Hintergrund die Zuziehenden besitzen, zum anderen, vielleicht wichtiger, wie das Leben in der aufnehmenden Gemeinde strukturiert ist. 

Ein zweiter Aspekt liegt in der Frage, ob für die sich in der Fremde befindenden Fremden an dem Ort ihrer Unterbringung eine erträgliche Lebenssituation besteht, so daß sie überhaupt die Chance besitzen, die Zeit ihres Aufenthaltes ohne größere Konflikte mit ihrer Umwelt zu verbringen. Ein Faktor dabei dürfte die Dauer und das Wissen um die Dauer eines Aufenthaltes sein, ein anderer die Möglichkeit, sich im Lebensumfeld zumindest teilweise mit vertrauten Kontakten, Informationen und Bedarfsartikeln zu versorgen.

Ein dritter Aspekt liegt in den organisatorischen Fragen. Die eingereisten Migranten müssen untergebracht und versorgt werden. Ihr rechtlicher Status und die rechtliche Grundlage ihres Aufenthaltes muß geklärt werden. Die Erleichterung dieses Verfahrens ist ein Grund dafür, daß Asylbewerber normalerweise in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden, in denen sie verpflichtet sind, bis zur Beendigung ihres Verfahrens zu wohnen. Allerdings kennt die Rechtssprechung eine Vielzahl von Abwägungen aus humanitären oder organisatorischen Gründen, die das Verhältnis von Gemeinwohl und dem individuellen Interesse eines Asylbewerbers in unterschiedlichen Fällen unterschiedlich auslegt. 

Diese organisatorischen Aspekte stehen im Zentrum, wenn wir nun die Ebene der lokalen Wirklichkeit verlassen, die Geschichte sozusagen nicht mehr von unten, sondern von oben betrachten. Als oberste Instanz – geht man vom status quo aus – stehen da die im Grundgesetz verankerten Normen des Asylrechts und der Genfer Flüchtlingskonvention. Diese Normen werden in Gesetzen und Verfahren umgesetzt. Konkret sah das bis in die siebziger Jahre so aus, daß Asylbewerber in einem zentralen Sammellager in Zirndorf untergebracht wurden. Mit dem Anstieg der Bewerberzahlen wurde dieses Verfahren unpraktikabel, so daß man begann, die Bewerber auf die Bundesländer zu verteilen. Es wurde ein Beauftragter der Bundesregierung benannt, der die Zuweisung nach Rücksprache mit den Ländern und gemäß eines festgelegten Verteilungsschlüssels vornimmt. Die Länder wiederum verteilen nach intern festgelegten Verfahren die Asylbewerber auf die Landkreise und schließlich auf die Gemeinden. Trotz einiger Änderungen und unterschiedlicher Umsetzungen in den verschiedenen Ländern stellt sich das Verfahren bis heute im Grunde in dieser Weise dar. 

Deutlich ist der Stufenbau dieser Regelung zu erkennen: von der prinzipiellen Norm geht der Weg herab über die zentralen und mittleren Verwaltungsinstanzen bis zu den Kommunen und Stadtteilen. Abgeleitet von einer übergeordneten Norm entstehen Verpflichtungen und Verfahren auf einer nächstniederen Ebene, die wiederum eine Ebene tiefer Verfahren zur Umsetzung der daraus erwachsenden Aufgaben nach sich ziehen und so fort, bis schließlich vor Ort bestimmte Menschen in Nachbarschaft zu bestimmten anderen Menschen untergebracht werden. 

Dieser deduktive Weg hat einen wichtigen Vorteil. Für ihn spricht, daß er für die effektive Umsetzung einer geltenden Norm garantieren kann. Die Länder, Landkreise und Kommunen sind verpflichtet, die Zuweisungsentscheidungen der übergeordneten Instanzen anzuerkennen und umzusetzen. So kann gewährleistet werden, daß jeder Einzelne bis zum Entscheid seines Anerkennungsverfahrens, auf das er ein individuelles Recht hat, aufgenommen wird. Da durch diesen Rechtsstatus die Zahl der aufzunehmenden Asylbewerber weitgehend unberechenbar bleibt, erscheint das deduktive Verteilungsverfahren als stimmiges Komplement zum subjektiven Recht auf Asyl.

Führt man aber die beiden Geschichten, die von unten und die von oben zueinander, legt sie wie zwei Folien aufeinander, dann zeigt sich, daß hier einiges nicht zusammenstimmt. Die für das Verfahren von oben entscheidenden Punkte, daß es ein Gesetz gibt und damit verbunden ein Recht, daß dieses Recht umgesetzt werden muß und daß dies effektiv geschehen muß, da die Asylbewerber schnellstmöglich eine menschenwürdige Unterkunft benötigen, all dies taucht in der Geschichte von unten gar nicht auf. 

Umgekehrt sind die Verhältnisse vor Ort in der Geschichte von oben in keiner Weise berücksichtigt. Die Quoten und Bescheide enthalten nichts darüber, wie die sozialen Verhältnisse vor Ort beschaffen sind, ob der Zeitpunkt für eine Aufnahme von Fremden günstig ist, wie sich Alltag und Zusammenleben in einem konkreten Umfeld verändern werden. 

Mißt man in Bezug auf einen Blick ‚von unten‘ das deduktive Verfahren nicht nur an seiner inneren Effektivität, sondern auch an seinen äußeren Effekten, dann sieht die Bilanz nicht sehr rühmlich aus. Effektiv und gerecht soll das Verteilungsverfahren sein, doch betrachtet man die Wirkungen, die das Verfahren produziert, so zeigt sich, daß es weder in einem umfassenderen Sinne effektiv noch wahrhaft gerecht ist. Zwar wurde die Verteilung nach einem Quotenschlüssel eigens geschaffen, um eine gleichmäßige Belastung, also eine gerechte Aufteilung zu erwirken. Jedoch bleibt ein solches Verfahren nur im Reich der Zahlen gerecht. 

In der Praxis sieht es so aus, daß, gleich, an welchem Ort eine Unterkunft gefunden wird und gleich, wie diese Unterkünfte verteilt sind, stets die einen unmittelbare Nachbarn sind und damit sehr konkret mit einer Veränderung ihrer gewohnten Lebenswelt zu tun haben, während die anderen kaum oder gar nicht betroffen sind. Eine numerisch gerechte Lösung kann es in der wirklichen sozialen Welt nicht geben und deshalb kann das Ziel nicht in einer Verbesserung des distributiven Verfahrens bestehen, sondern darin, einen ganz anderen Faktor in das Verfahren miteinzubeziehen, nämlich den der Bereitschaft, fremde Menschen in der Nachbarschaft aufzunehmen. 

Doch bevor dieser Vorschlag ausgeführt und begründet werden kann, müssen eine ganze Reihe von weiteren Fragen geklärt werden. Zunächst, warum das deduktive Verfahren nicht nur nicht gerecht, sondern nicht einmal effektiv ist. Bemißt man die Effektivität an dem Ziel, Asylbewerbern eine menschenwürdige und sichere Unterkunft bis zur Beendigung ihres Antragsverfahrens zu gewährleisten, dann haben die Vorfälle der letzten Jahre deutlich gezeigt, daß dieses Ziel massive zusätzliche Mittel wie die Bewachung von Asylbewerberheimen erforderte. Zum Teil ist dieser Umstand sicherlich einem dem Verfahren äußerlichem Wirkungszusammenhang zuzuschreiben. Doch nur zum Teil: gerade dadurch, daß das deduktive Verfahren nicht mit dem rechnet, was vor Ort geschieht, wird es selbst zu einem Faktor, der die Problematik verschärft und die Gräben vertieft. 

Wie immer, wenn zwei zwar miteinander zu tun haben, der eine aber in dem einen Interpretationsrahmen, der andere in einem anderen agiert, versteht auch hier keine der beiden Parteien, was die andere in Wirklichkeit tut. Für die Verwaltungsbehörden geht es nur um die Lösung eines Problems, das sie – sozusagen – von oben herabgereicht bekommen. Sie führen nur aus, was sie ausführen müssen. In ihrer Logik geht es um eine verwaltungsmäßige Notwendigkeit, und es gibt hier überhaupt keinen Ansatzpunkt dafür, daß der Vollzug des entsprechenden Verfahrens etwas anderes bedeuten könnte als den Vollzug jener Notwendigkeit. 

Ganz anders sieht derselbe Vorgang aus, wenn er unter dem altbekannten Axiom, daß man in einer sozialen Situation nicht nicht kommunizieren kann, betrachtet wird. So nämlich erleben die Bewohner der betroffenen Gemeinde den behördlichen Verwaltungsakt. Für sie ist dieser Akt ein Akt in ihrer Beziehung zum Staat. Für sie ist es eine Entscheidung “derer da oben”, die – so ihr Eindruck – “mit uns kleinen Leuten machen was sie wollen”. Was für die einen ein neutraler Verwaltungsakt ist, ist für die anderen bedeutungsreiche Kommunikation. Der Staat wird als ein Gegenüber erlebt, als eine etwas diffuse, aber in vielerlei Hinsicht wirkliche Instanz. Von ihm kommen die Wohngeld-, Steuer- und Rentenbescheide, er richtet die Schulen ein und die Bushaltestellen. Es ist ein spannungsreiches Verhältnis zu diesem Gegenüber: vieles kommt von ihm, vieles fordert es, nie ist der Handel ganz klar, wem es schlecht geht, fühlt sich leicht von ihm im Stich gelassen und betrogen. In hilflosen Versuchen entladen sich die Aggressionen in der Zerstörung von Dingen. Doch die eingetretene Scheibe des neuen Wartehäuschens trifft den Staat nicht, das Gegenüber entzieht sich und bleibt omnipräsent zugleich, unangreifbar. 

Was bedeutet in diesem Interpretationsrahmen die Unterbringung von Asylbewerbern in einer Gemeinde? Im schlimmsten, aber vermutlich nicht einmal außergewöhnlichen Fall, wird der staatliche Akt als abwertendes Urteil rezipiert; als sage er: “Was ihr denkt und was ihr wollt, interessiert uns nicht. Ihr seid nicht wert, daß wie eure Belange beachten. Indem wir euch diese Menschen, die am untersten Ende der sozialen Stufenleiter stehen, zugesellen, zeigen wir euch, daß wir euch an eben dieser Position sehen.“

Das für die Asylbewerber besonders perfide an dieser Konstellation ist, daß sie die gegebenen Beziehungen zwischen Staat und Bürger in einer fatalen Weise fortsetzt und erweitert. Indem der Staat die Asylbewerber den Bewohnern einer Kommune als Nachbarn zuweist, tritt er nicht in Form einer Gabe in Erscheinung, sondern mit einem Anspruch, einer Forderung. Zugleich tritt er nicht als Staatsgewalt auf, sondern in der Form wehrloser Menschen. Jede bereits bestehende oder durch den als Willkür aufgefaßten Verwaltungsakt entstehende, gegen den Staat gerichtete Aggression findet in diesen Menschen einen nahezu schutzlosen Angriffspunkt.

Besonders deutlich wird das Manko dieses Prozederes dann, wenn man es mit strukturell verwandten Konstellationen vergleicht. So äußert sich beim Bau von großtechnischen Anlagen (Autobahnen, Kraftwerke, Flughäfen etc.) ebenso ein übergeordnetes Interesse in einem Dritten, der technischen Anlage. Zwar gibt es auch hier eine Durchsetzung der staatlichen Pläne einerseits und Gewalt gegen ihre Manifestationen andererseits. Doch besteht in diesem Bereich – zumindest in jüngerer Zeit – eine Kommunikation zwischen Staat und Bürgern, die sich zum einen in Ausgleichsleistungen, Schutzmaßnahmen und privilegierter Anbindung an die entstehende Infrastruktur äußert, zum anderen in Anhörungs- und Mediationsverfahren. Bei allen Problemen, die auch hier trotz allem bestehen bleiben, sind doch Grundelemente von Bürgerbeteiligung, Mitbestimmung und ausgleichender Gerechtigkeit installiert. Dagegen erscheint das Verfahren im Fall der Verteilung von Asylbewerbern als ein rein obrigkeitsstaatlicher Akt. Daß die Provokation von Gewalt entgegen dem Wert des Asylrechts zu den Effekten des deduktiven Verfahrens gerechnet werden muß, führt somit zu dem Schluß, daß das Verfahren selbst einer Revision bedarf. 

Ein Faktor einer solchen Überarbeitung wurde bereits angesprochen: die Frage der Bereitschaft. Ein zweiter Faktor zeigt sich nun darin, daß das Verfahren mit seiner Kommunikativität zu rechnen hat. Um zu sehen, wie diese Faktoren eine praktikable Form erhalten können, soll nun gefragt werden, auf welcher theoretischen Grundlage das deduktive Verfahren steht und ob von einer revidierten Grundlage aus eine praktische Alternative sichtbar wird.